Erfahrungsbericht einer Beobachtungsreise vom 7.–11. 12. 2012 nach Ouagadougou, Burkina FasoWie entstand die Idee, für drei Tage nach Burkina Faso zu reisen?Anlässlich eines von mir am 30. 9. 2012. im Untertaunus organisierten Treffens meiner Kommilitonen des Jahrgangs 1981 der KU Leuven, meine Alma Mater, traf ich Dr. Jan Noyez nach vielen Jahren wieder. Jan ist seit Ende unseres Studiums eigentlich ständig als Entwicklungshelfer unterwegs. Er berichtete mir nun von seinem seit 2004 laufenden Projekt in Burkina Faso und wußte mich sofort zu begeistern. Faszinierend fand ich den Ansatz, in einem der ärmsten Länder der Welt mit einer Operation einer ganzen Familie zu helfen. Ebenfalls die Tatsache, dass es sich um eine Operation handelt, die wir mit 30-jähriger Erfahrung beherrschen. Bei anderen Projekten hat es mich meistens abgeschreckt, in einem wenig entwickelten Land mit „exotischen” Erkrankungen konfrontiert zu werden, mit deren Therapie wir keine Erfahrung haben. Des Weiteren fand ich es beeindruckend, dass die Ergebnisse seit 2004 dokumentiert und ausgewertet wurden. Auch wenn die Behandlungserfolge ein hohes Niveau haben, ist die Aufarbeitung doch ein kritisches Selbsthinterfragen, um zu sehen was man noch besser machen könnte. Wir gingen auseinander mit der Vorstellung, dass ich mich 2013 der Mission anschliesse, um auszuloten, wie ich 2014 selbst aktiv werden kann. Das erschien mir zu lang, nachdem ich es ein bis zwei Nächte überschlafen hatte. In der gleichen Woche habe ich ein Ticket gebucht, damit ich bereits die 2012er Mission beobachten konnte.
Wie verlief die Reise?Nun, die Reise als solche verlief recht unrund. Geplant war, dass ich in Paris das gleiche Flugzeug nehme wie die belgischen Freunde. Ich wollte den Set-Up, die Sprechstunde am ersten Tag vor Ort und danach zwei OP-Tage miterleben. Durch „Schnee in Paris” am 7. 12. 2012 wurde mein Flug nach Paris annuliert, ich verpasste den Anschlußflug nach Ouagdougou in Paris und mußte eine Nacht im nicht ganz so romantischen Paris-Roissy verbringen. Am nächsten Tag ging es mit Pannen weiter. In der Zusammenfassung bin ich 60 Stunden gereist um 44 Stunden vor Ort zu sein. Bemerkenswert: alle Pannen waren europäisch, nicht afrikanisch verursacht. Beim Verlassen des Flugzeuges in Ougadougou erfasste mich ein Geruch, den ich nie wieder vergessen und hoffentlich noch häufig wiedererkennen werde. Über der gesamten Stadt, hängt Tag und Nacht der Duft der abertausend Holzkohlefeuerchen, auf denen alles zubereitet wird.
Waren die Erfahrungen vor Ort aufschlussreich?Um es vorwegzunehmen: es erfordert einen gewissen Enthusiasmus, um so einen Trip zu planen. Die Begeisterung ist danach jedoch noch viel größer geworden. Den ersten Tag habe ich verpasst. Jan und Lieven (Dossche, der zweite Orthopäde im Team) berichteten, dass trotz der vorausgegangenen bewährten Kommunikation mit den Ärzten im Krankenhaus CMA Paul VI, nicht nur die vereinbarten ca. 75 Patienten gesehen wurden, sondern über 100. Die Menschen kommen aus allen Ecken des Landes und mittlerweile durch die gute Reputation auch aus den Nachbarländern. Da die Mission nur zwei Wochen dort bleiben kann, ist natürlich die Anzahl der Operationen beschränkt. Die Abläufe (Wechselzeiten zwischen zwei Operationen) verlaufen zwar nach allen Regeln der Kunst, aber dennoch sehr verzögert. So hilft der Operateur nach Beendigung seines Eingriffs auch schon mal mit bei der manuellen Reinigung (d.h. abwaschen) der benutzten Instrumente, damit diese möglichst schnell wieder sterilisiert werden können. Hier wäre sehr geholfen, wenn in Zukunft mehr OP-Siebe zur Verfügung stünden.
Die OP-Räume sind klimatisiert, die vorhandenen Instrumente entsprechen dem erforderlichen Standard. OP-Tische wiederum sind sehr veraltet. EinTisch ist nicht mal höhenverstellbar. Dies führt nicht zu einer Verminderung der Qualität der Eingriffe, stellt aber für den Operateur durchaus eine physische Herausforderung dar. Über die Jahre ist es den belgischen Kollegen gelungen, den Ärzte und Mitarbeitern der Klinik ein hygienisches Verhalten zu vermitteln, welches den Eingriffen wie der Implantation von künstlichen Gelenken gerecht wird. Auffällig war der anatomische Schwierigkeitsgrad der Eingriffe. Es gab häufig extrem kontrakte oder vernarbte Hüften. Jeder Eingriff dort ist einer, von dem wir hier sagen würden, dass es „mal ein bißchen länger dauern könnte“ als die Stunde, die wir daheim benötigen. Deswegen ist der Einstieg für die afrikanischen Kollegen, die im Rahmen des Projektes ausgebildet werden, sehr schwierig. Überwältigend war bei allem die Fröhlichkeit der Menschen. Sie sind arm und lächeln, und wir . . . Ich habe die Zusage vom Direktor des CMA Paul VI und des koordinierenden Arztes, dass eine zweite Mission erwünscht ist. Diese wird keine neue, sondern eine Erweiterung der vorhandenen sein, für die wir jedoch die gesamte Verantwortung und Organisation übernehmen.
Wann und wie geht es nun weiter?Es geht sofort weiter. Unser Team – zwei Orthopäden, ein Anästhesist – zwei sehr erfahrene und belastbare OP-Kräfte, haben fest gebucht. Weitere seriöse Interessenten drängeln dazu und sind bereit oder bereits dabei, tatkräftig zu helfen. Bereits an meinem ersten Arbeitstag nach meiner Rückkehr konnten wir uns unentgeltliche Unterstützung von Bank, Steuerberater und Notar zusichern. Damit ist der Weg frei für die Gründung eines eingetragenen Vereins. Die Gründungssitzung findet am 21. 12. 2012 im Gelenkzentrum Wiesbaden statt. Nun können wir Spenden quittieren, für das viele Geld, welches wir benötigen, um unsere erste eigene Mission zu starten, die bereits für November 2013 terminiert ist.
Wozu brauchen wir Geld?Wir müssen alles, vom Tupfer bis zur Prothese, mitnehmen und finanzieren. Die belgische Mission wird unterstützt von „Ärzte ohne Urlaub” www.azv.be. Diese erstattet Reisekosten, organisiert einen Teil des Materials und übernimmt den Versand. Ob wir diese Unterstützung auch bekommen, ist noch nicht geklärt und eher fraglich. Dr. Noyez wird die Gespräche in unserem Sinne führen. Eine Zusage würde vieles erleichtern, aber wir machen unsere Entscheidung davon nicht abhängig. Wir brauchen auf jeden Fall Material. Auch die belgische Mission kümmert sich eigenverantwortlich um Implantate, Instrumente etc. In Teilen wird eine gemeinsame Nutzung stattfinden, aber es ist schon aufwändig genug, eine Mission zu bestücken. Wir profitieren von dem, was in zehn Jahren aufgebaut wurde, aber können nicht erwarten, dass unsere Freunde uns alles servieren. Darüber hinaus geht es darum, die Behandlungskosten für die Patienten zu drücken.
Müssen die Patienten für die Behandlung bezahlen?Selbstverständlich arbeiten die Missionsmitglieder unentgeltlich in Ihrer Urlaubszeit. Das Gesundheitssystem in Burkina Faso ist nicht gratis. Eine typische Anamnese ist folgende: Patient erleidet Schenkelhalsfraktur und wird in ein Krankenhaus eingeliefert. Hierfür und für jede einzelne Leistung muß er bezahlen. Bis er die Diagnose hat, ist sein Geld verbraucht und kann für die Behandlung, welche im genannten Fall sowieso nicht angeboten wird, nicht bezahlen. So landet er dann mit einer veralteten und dadurch wesentlich schwieriger zu behandelnden Fraktur bei der Mission. Das CMA Paul VI ist so arm wie seine Patienten. Für die Mission wird zwei Wochen lang der OP-Trakt ( zwei Säle) zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet, dass das Krankenhaus auf sonst stattfindende Eingriffe und Einnahmen verzichten würde, wenn es nicht von den Missionspatienten ein Entgelt verlangt, wie in Burkina Faso üblich. Davon können aber noch lange nicht das Implantat und sonstige OP-Materialien bezahlt werden.
Kann man dagegen was tun?Ja, indem man diese Kosten übernimmt. Implantate und sonstiges müssen mit den Firmen möglichst günstig verhandelt werden. Minderwertige Produkte zur Preissenkung kommen natürlich nicht in Frage. Unsere fürsorglichen Gesetze hindern übrigens diese Firmen daran, Produkte zu verschenken, auch wenn sie es wollten und das würden sie. Die große Herausforderung besteht demnach darin, dass wir Materialien zu vertretbaren Preisen bekommen, damit wir es ermöglichen, dass die Patienten sich die Behandlung leisten können. Bitte vergessen Sie nicht, dass die angebotenen Behandlungen außerhalb der Mission gar nicht angeboten werden und die Patienten in die Erwerbsunfähigkeit getrieben werden, mit allen Folgen für die Familien. Eine Auslandsbehandlung können sich diese Menschen allemal nicht leisten. Die nächste, sehr wichtige Stufe wird dann sein, dass wir mit unseren Geldern Behandlungskosten reduzieren oder übernehmen können. Es wird im Vorfeld durch die lokalen Ärzte eine soziale Anamnese erhoben, und wir bekommen mitgeteilt, wer in der Lage ist zu bezahlen und wer nicht. Es wird darauf geachtet, dass die deutliche Mehrheit aus einfachen Berufen stammt. Häufigste Berufszweige sind „Ménagère” (Putzfrau) und Landwirt.
Wo soll das viele Geld herkommen?Wir werden Unterstutzung bekommen von den Medizinprodukt-Firmen, deren Kunde wir sind. Die Bereitschaft ist deutlich vorhanden, gesetzliche Stolpersteine bremsen sie nur zum Teil aus. Das Gelenkzentrum Rhein-Main hat mehrere Kliniken als Partner. Auch hier werden wir anklopfen und Gehör finden. Natürlich werden wir auch persönliche Aktionen starten. So führe ich derzeit eine Validierungsstudie für den Body-Scanner der Fa. Vitronic durch. Statt Honorar wird um Spende gebeten. Vitronic hat dieses zum Anlaß genommen, zum Jahresende auf Werbegeschenke zu verzichten und stattdessen seine Kunden auf unser Projekt zu verweisen. Desweiteren hoffen wir mit unserer Begeisterung auch Privatpersonen zu infizieren und diese wiederum Ihre Arbeitgeber. Wir packen es an!!!
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